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Pressemitteilung

Dialogprozess ohne Relevanz. Tabuisierung von Reformthemen fördert fundamentalistische Gruppierungen. Konsultationsprozess auf allen Ebenen dringend nötig.

17.03.2011. Oscar-Romero-Haus/Bonn

Zum Abschluß der heute in Paderborn zu Ende gegangenen Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz verkündete der Vorsitzende Erzbischof Zollitsch äußerst ungenügende Rahmenbedingungen des sogenannten „Dialogprozesses“: Mit einer Auftaktveranstaltung Anfang Juli 2011 sollen bis 2015 anhand von Jahresthemen grundlegende Aufgaben der Kirche reflektiert werden.

Seit 1985 wurden jedoch in fast allen deutschen Diözesen synodale Prozesse durchgeführt, in denen die Bistumsleitungen mit den Verantwortlichen in Gemeinden und Verbänden in jahrelanger Kleinarbeit die zentralen Fragen diskutierten. Die Bilanz dieser von Rom eng kontrollierten Dialogprozesse fiel allgemein ernüchternd aus: Die brennenden Themen wie Öffnung des Priesteramts für Frauen, transparente und kontrollierbare Kirchenstrukturen, geschiedene Wiederverheiratete, Homosexualität usw. verschwanden nach getaner Arbeit – wenn sie überhaupt zum „Dialog“ zugelassen wurden – konsequent in den Schubladen. Das wertvolle Engagement tausender Ehrenamtlicher verpuffte folgenlos.

Welche Relevanz wird also dieser neue Dialogprozess haben? Wie wird gewährleistet, daß unerwünschte Ergebnisse nicht verschwinden? Das Aussortieren der römischen Reizthemen deutet die Richtung an: Laut Essener Bischof Overbeck sind „lehramtlich geklärte Themen“ wie das Priestertum der Frau, die Priesterweihe erprobter verheirateter Männer (viri probati) und die Frage der Homosexualität nicht diskutabel.

Es ist die Tragik dieser Bischofskonferenz, daß sich unter den 67 deutschen Bischöfen nicht eine Handvoll findet, die mutig und verantwortungsbewußt gerade diese brennenden Fragen auch gegen die römische Linie auf die Tagesordnung setzt. Die Krise dieser Kirche ist aufgrund ihrer Struktur vornehmlich eine Krise ihres Führungspersonals: Selbständiges Denken, Teamfähigkeit, nicht zuletzt eine gereifte Spiritualität gehören nicht zum Anforderungsprofil der Leitungsebene. Doch könnte Rom tatsächlich dagegen ankommen, wenn die aufgeschlosseneren der deutschen Bischöfe Kritik und pastoralen Sachverstand nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern auch in der Öffentlichkeit artikulieren würden?

Tatsächlich herrscht in der deutschen Kirche zunehmend eine Athmosphäre der Ängstlichkeit und des Wegduckens: Denunziationen von Pfarrern, ReligionslehrerInnen und HochschuldozentInnen sind an der Tagesordnung, fundamentalistische Gruppierungen werden von oben gefördert und prägen seit zehn Jahren zunehmend das Erscheinungsbild; Korruption und Scheinheiligkeit sind allgegenwärtig. Das Schielen der Bischofskonferenz nach dem rechten Rand von „pro ecclesia“, an dem sich Piusbruderschaft und andere Fundigruppen tummeln, ist ein unverantwortliches Spiel mit dem Feuer.

Nur ein Konsultationsprozeß, der alle kirchlichen Ebenen und alle angeblich „lehramtlich geklärten Fragen“ einbezieht, könnte ein Mindestmaß an Kontrolle und Transparenz gewährleisten. Er sollte geprägt sein von Pluralismus und gleichberechtigtem Meinungsaustausch. Klare Rahmenbedingungen müßten Ergebnisoffenheit garantieren, Entscheidungsstrukturen benennen und die Umsetzung des Erreichten skizzieren.

Stattdessen zeichnet sich eine hochglanzpolierte Imagekampagne ab, die längst zu spät kommt: Zehntausende haben dieser Kirche im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt. Mit Mauschelrunden von Funktionären und schönen Worten für die Öffentlichkeit wird das verspielte Vertrauen nicht zurückgewonnen.

Bernd Hans Göhrig

Bundesgeschäftsführer